Montag, 7. Oktober 2013

Heute: Die Gemüsesorte "Fisch"

Kürzlich düste ich durch den Onlineshop eines Schweizer Detailhändlers und stiess dabei auf die ominöse Kategorie "Vegetarisch/Fisch". Gehört das irgendwie zusammen? So à la "Unser Fisch ist auch ein Gemüseburger oder ein Quornplätzli"?

Tatsächlich scheint der Begriff "vegetarisch" immer wieder für Verwirrung zu sorgen. Eigentlich bedeutet dieser klipp und klar, dass in so bezeichneten Speisen keine toten Tiere drin sind. Aber irgendwie rutschen die armen Fische immer auch in diese Sparte. Wieso das so ist, ich weiss es nicht.

Komischerweise spricht man ja auch von "Fleisch" und "Fisch". Dabei ist ja beides einfach Fleisch. Fleisch von der Kuh, Fleisch von der Sau, Fleisch vom Huhn, Fleisch vom Fisch. Der Unterschied ist nur, dass die als Fleisch bezeichneten Tiere auf dem Land gelebt haben, die anderen, die Fische, im Wasser. Land- und Wassertiere. Und ebenfalls seltsam finde ich, dass man den Fisch beim Namen nennt, für die verschiedenen Stücke der Landtiere aber den Überbegriff "Fleisch" verwendet. Wahrscheinlich, weil es so hervorragend Distanz schafft.

Vor einem Jahr oder so war ich auf einer Kopenhagen-Reise mit Presseleuten. Mit dabei war eine Journalistin, die sich als Vegetarierin bezeichnete. Und jetzt kommt's: Wenn in den Restaurants jeweils gefragt wurde, wer vegetarisch esse, stellte sie jeweils die scharfsinnige Frage: "Do you mean in the sense of eating fish or not eating fish?" Hä? Aber sie meinte es ernst, denn Fisch gehörte durchaus auf ihren Speiseplan. Ansonsten aber war sie wie gesagt Vegetarierin. Mir fällt gerade ein, sie war auch laktoseintolerant, aber dank täglichem Konsum eines entsprechenden Medikaments konnte sie ihren Körper überlisten und trotzdem Tiermilchprodukte konsumieren. So gewieft.

Aber zurück zum Fisch. Auch wer sich nicht für Tierleid interessiert, weiss inzwischen, dass die Meere bald mal leergefischt sind. Trotzdem ist der Hunger auf Fisch ungebrochen - in Zürich z.B. ist vor nicht allzu langer Zeit ein neuer Sushi-Tempel aufgegangen. Ich rede natürlich nicht von veganen Sushis. Der Verzehr von Fisch scheint auch in Ländern wie der Schweiz eine Art Menschenrecht geworden zu sein. Soo gesund und soo fein, man könnte kaum mehr ohne. Die immer karger besiedelten Meereslandschaften sind angesichts dieser Delikatesse schnell vergessen.

Wenige Fischgemüsetiere gegenüber vielen Fischfangbooten.

Eine grosse Umweltschutzorganisation, die sich vor allem dem Artenschutz verschrieben hat, sendete mir kürzlich ein erstaunliches Mailing. Es bestand aus einem Karton in Form einer Schildkröte. Auf der Rückseite der dramatische Text, dass eine der ältesten Familien der Welt, eben die Schildkröten, akut vom Aussterben bedroht seien. Und noch dramatischer das Bild: Eine Schildkröte, die sich in einem Fischereinetz verfangen hatte, einer oft tödlichen Falle.

Nun, das Problem wäre denkbar einfach behoben. Man könnte nämlich die Gefahr des Sich-im-Netz-verheddern praktisch auf Null reduzieren, indem man einfach die industrielle Fischfängerei beendet. Tataaa! So genial! Leider kamen die ArtenschützerInnen nicht auf dieselbe Lösung. Sie präsentierten stattdessen einige Varianten von alternativem Fischfang. Weniger gefährlich für die Schildis. Sie zeigten mit anderen Worten auf, wie man die eine Spezies schützt und gleichzeitig eine andere ausrottet. Das geht über meinen Horizont. Aber ich habe ja auch das Mailing nicht gemacht, vielleicht verstehe ich die Message einfach nicht.

Und jetzt das Beste zum Schluss. Ein Geständnis. Über 20 Jahre lang war ich selbst eine "Vegetarierin", die Fisch ass! Nicht oft, aber doch ab und zu. Habs mir immer schön geredet, so von wegen die merken das doch nicht gross und so.... Na ja, zum guten Glück lebe ich jetzt ja nicht nur "richtig vegetarisch", sondern gleich vegan, und das finde ich gut, besser, am Besten.

A propos "die merken das doch nicht gross". Ein Bekannter hat mir mal erzählt, dass ein Fisch jede Berührung seiner Schuppenhaut als etwa gleich schmerzhaft empfindet wie wir Menschen einen festen Fingerdruck auf die Netzhaut unserer Augen. Wenn das wirklich so ist, so stelle man sich mal vor, wie es ist, als Fisch, lautlos rufend und nach Luft schnappend, auf Deck eines Bootes irgendwo in einem aufgetürmten Haufen von anderen WasserbewohnerInnen* zu liegen....

Nicht schön. Aber schön, dass man gut leben kann, ohne Fisch zu essen. Wirklich sehr gut.

*auch Fische sind Damen oder Herren.